Über das Projekt

Einleitung

Durch Einwanderungsprozesse sind die Gesellschaften liberaler Demokratien ethnisch und kulturell vielfältiger geworden. Zunehmend spiegelt sich die gesellschaftliche Vielfalt auch in der Wahrnehmung von Ämtern und Mandaten durch Menschen mit unterschiedlichen Hintergründen. In einer chancengerechten Gesellschaft sollten diese Gruppen – im Fokus unseres Interesses stehen Menschen mit Migrationsgeschichte – grundsätzlich die gleichen Chancen besitzen, in potenziell einflussreiche Positionen in Politik und Gesellschaft zu gelangen. Die bisherigen, fragmentarischen Befunde indizieren, dass dem nicht so ist (für Deutschland zuletzt SVR 2021 sowie Vogel & Zajak 2020). Das Ausmaß von Repräsentations- und Karrieredefiziten ist nur partiell bekannt, und welche Faktoren besonders förderlich für den Repräsentationserfolg sind, ebenfalls nur zum Teil.

Kernanliegen von REPCHANCE ist es, Bausteine für konkrete Handlungsempfehlungen der Ermöglichung einer chancengerechten Minderheitenrepräsentation zu erarbeiten. Wir versuchen, die Erfolgsbedingungen für Karrieren in der Politik auf der Grundlage verfügbarer Daten und anhand von persönlichen Interviews systematisch herauszuarbeiten. Um abschätzen zu können, inwieweit diese Befunde politikspezifisch sind, führen wir ergänzende Interviews mit erfolgreichen Personen mit Migrationsgeschichte aus Wirtschaft, Zivilgesellschaft und Verwaltung durch.

Somit kann zum einen herausgearbeitet werden, an welchen Punkten sich Hürden und ein Mangel an Angeboten in Sachen Chancengleichheit ergeben. Zum anderen können, basierend auf den identifizierten Bausteinen, Maßnahmen zur Förderung der politischen und gesellschaftlichen Representation optimiert werden. 

Auch für Personen mit Migrationsbiografie selbst könnten die Befunde Ergebnisse und Bausteine hilfreich sein, zeichnen sie doch die Möglichkeiten und Strategien nach, durch die (Karriere-)Wege trotz vorhandener Ungleichheitsstrukturen gelingen können.

Aktualisierung des Standes der deskriptiven Repräsentation

Anknüpfend an eigene und kooperative Arbeiten des Projektleiters zur politischen Repräsentation von Abgeordneten mit Migrationshintergrund aktualisieren und erweitern wir zunächst den Stand der deskriptiven Repräsentation für die Bundes- und Landesebene sowie für ausgewählte, unterschiedliche Kommunen für die Jahre 2012 bis 2021. Neben dem Merkmal „Migrationshintergrund“ werden auch Mandats- und Amtsträger*innen identifiziert, die einer sichtbaren Minderheit angehören (über äußere Merkmale oder einen nicht traditionell deutschen Namen).

Herausarbeitung von Karriereverläufen anhand von Interviews

In einem weiteren Schritt werden die Karrierepfade von Abgeordneten auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene herausgearbeitet: Wie gelangten sie in Ämter und Mandate, und welche Faktoren waren hierfür und für das Ausscheiden aus dem jeweiligen Amt bzw. Mandat entscheidend? Dabei kann auf einige frühere Analysen zurückgegriffen werden, deren Befunde zum einen umfassender und systematisch überprüft werden sollen und zum anderen ermöglicht, bisher nicht beobachtete Muster zu erkennen.

REPCHANCE betrachtet Abgeordnete und ihre Karriereverläufe im Kontext bestehender Organisations- und Förderstrukturen. Erstmals soll durch leitfadengestützte Interviews mit Mandats- und Amtsträger*innen systematisch ermittelt werden, welche Rahmenbedingungen aus der politischen und persönlichen Erfahrung heraus die soziopolitische Repräsentation unterrepräsentierter Minderheiten ermöglichen und welche Instrumente (v.a. Maßnahmen und Regelungen) diese nicht nur unterstützen könnten, sondern es nachweislich bereits getan haben. Zur besseren Einordnung der möglicherweise politikspezifischen Befunde werden auch einige Karriereverläufe in zivilgesellschaftlichen Organisationen, Wirtschaftsunternehmen und in der Verwaltung beleuchtet.

Forschungsverbund

Mit zusätzlicher Unterstützung der Robert Bosch Stiftung, Mercator Stiftung Schweiz sowie Porticus konnten im Herbst 2022 vergleichbare Studien in der Schweiz, den Niederlanden, Spanien und dem Vereinigten Königreich begonnen werden. Der Forschungsverbund wird vom deutschen Projektteam an der Hochschule München koordiniert.